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MOSKAU - ROSA HACKL

 
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Oleg Konstantinowitsch Popow ist der bekannteste Clown Russlands, heute sitzt er mit Mischa, seinem Hund, auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau, gleich neben dem Neujungfrauenkloster. Moskau ist das „Wohnzimmer“ Russlands und der Neujungfrauen Friedhof ist das ewige Wohnzimmer der Stadt. Hier finden sich alle, die Moskau, in manchen Fällen ganz Russland, geprägt haben. Seit etwa 500 Jahren ist die 2.500 Quadratkilometer große Stadt mit ihren 12 Millionen Einwohnern die größte Hauptstadt Europas. Der Speckgürtel beherbergt weitere 3 Millionen Menschen, das macht Moskau auch zur größten Agglomeration des europäischen Kontinents. Es ist ein bunter Schmelztiegel der ganzen russischen Föderation, mit allen Vor- und Nachteilen. Im Gegensatz zu Petersburg am Finnischen Meerbusen ist Moskau immer zutiefst „russisch“ geblieben.

Oleg Popow – der Clown
Olegs Vater war Uhrmacher, Popow wurde 1930 in bürgerlichen Verhältnissen geboren. Als Stalin an die Macht kam, landet Papa im Gefängnis und mit der Bürgerlichkeit war es vorbei. Seine Jugend waren hart, leichter wird es, als er mit vierzehn Jahren bei einer Sportveranstaltung der KPdSU für den Russischen Staatszirkus entdeckt wird. Oleg wurde zu „Iwanuschka“ mit karierter Mütze, schwarzem Samtjäckchen, dunkel gestreifter kurzer Hose, Stöckchen, roten Socken und spitzen Schuhen. Bis heute ist er der berühmteste Clown des Landes geblieben. Zirkusdirektor ist er nie geworden, der Untergang der Sowjetunion kam dazwischen. Nach dem Umbruch lebte Popow einige Zeit in Deutschland, eine deutsche Staatsbürgerschaft lehnte er mit der Begründung, „Ich leide mit Russland“, ab. Oleg Popow war bis zu seinem Tod Mütterchen Russland treu. Heute sitzt er mit seinem Hund Mischa für alle Ewigkeit am Prominentenfriedhof der Stadt. Man ist Moskau treu.
So wie es Oleg Popow ging, geht es vielen Russen, denn auch wenn ihre Beziehung zu Mütterchen Russland schmerzhaft ist, scheiden lassen sie sich nicht. Die Beziehung der Moskauer zu ihrer Stadt ist ähnlich gelagert. Wohnraum ist in Moskau knapp und kostspielig, das bedeutet Einschränkungen und Entbehrungen, denn Moskau gehört generell zu den teuersten Städten der Welt. Die Stadt erlebt einen gigantischen Bauboom und erstickt jeden Tag mehrmals im Verkehr. Moskau hat nicht nur Vorteile, auch die freie, kritische Meinungsäußerung ist noch ein zartes Pflänzchen. Auf der Plattform GOROD.MOS.RU dürfen sie jetzt mitreden, hier können Moskauer via Internet Schlaglöcher, fehlende Mülleimer, kaputte Treppen oder Gehwege beanstanden. Bürger, die etwas über die Plattform melden, erhalten angeblich innerhalb einer Woche eine Antwort. Mitreden wollen die Moskauer, über eine Million Nutzer sind auf der Plattform angemeldet.

Wechselhafte Geschichte
1147 erstmals in einer Chronik erwähnt, mausert sich Moskau im 15. Jahrhundert zur Hauptstadt des Russischen Reiches. Im Zentrum der Metropole steht der Kreml. Hier saßen und sitzen die Herrscher Russlands: Zaren, Kommunisten und heute die Präsidenten. Das Wohnzimmer Russlands geht mehrmals kaputt. 1812 brannte Napoleon auf seinem Russlandfeldzug die Stadt nieder. Die Moskauer bauen die Stadt im russischen Empire-Stil wieder auf und ab Mitte des 19.Jahrhunderts drückten reiche Kaufleute mit ihren Villen der Stadt ihren Stempel auf, etwas später entstehen viele Jugendstilbauten, wie das Hotel Metropol.
Mit Stalin kommen die Sowjetzeit und der Terror in das Wohnzimmer Russlands. Es war die Zeit der Verhaftungen und Hinrichtungen. Stalin wollte die Metropole in den 1930er Jahren mit seinem „Generalplan der Rekonstruktion der Stadt Moskau“ architektonisch seinen Stempel aufdrücken. Der sogenannte „Zuckerbäckerstil“ prägt noch heute die Stadt. Wo Schatten ist, da ist auch Licht – aus der stalinistischen Periode stammt die Metro, die heute nicht nur wichtiges Transportmittel, sondern auch Sehenswürdigkeit ist. Mit dem Diktator wächst Moskau vertikal, breite Prachtstraßen, imposante Repräsentationsgebäude und Neubauten schießen in den Himmel, gleichzeitig werden aber viele Kirchen und das „alte Moskau“ niedergerissen.

Nicht jeder wohnt im Kreml
Im 500 Jahre alten Kreml wohnt der russische Präsident. Der durchschnittliche Moskauer wohnt in einem Hochhaus. Statistisch betrachtet hat er zwölf Quadratmetern zur Verfügung. Die Quadratmeterpreise sind so hoch, dass viele Moskauer sehr beengt mit mehreren Generationen zusammenleben. Wer Glück hatte, konnte sich nach der Wende seine Wohnung kaufen, wer das Pech hatte in einem der begehrten Stalingebäuden zu wohnen musste meist den Neureichen Platz machen. Während viele Russen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in ein soziales und finanzielles Loch fielen, haben einige wenige im Zuge der Privatisierung sehr viel Geld gemacht. Trotzdem gilt das Wohnzimmer Russlands als eine Stadt des Mittelstandes.

Wer – wie die Zugvögel – durch Ortswechsel Rettung sucht, findet sie nicht. Tschechow

Wer in Moskau lebt, will nicht weg
Auch wenn die materiellen Verhältnisse im Wohnzimmer Russlands sehr unterschiedlich sind, keiner will weg. Im Gegenteil, pro Jahr kommen 150.000 neue Menschen, meist mit großen Hoffnungen im Gepäck, nach Moskau. Die Stadt bietet viel. Moskau ist das kulturelle Zentrum Russlands, die Tretjakow-Galerie präsentiert als größtes Museum der russischen nationalen Kunst mehr als 100.000 Gemälde, Graphiken und Skulpturen vom 11. Jahrhundert bis zur Gegenwart und sie ist nicht das einzige Museum der Stadt. Moskau hat zudem an die 30 Theater, von denen das Bolschoi-Thater das berühmteste ist. Aktuell arbeiten dort etwa 900 Schauspieler, Tänzer, Sänger und Musiker. Sie sind heute keine Leibeigenen mehr, wie zur Zeit des Theatergründers, Fürst Peter Urussow, sondern international gefragte Künstler. Daneben gibt es große Parks, unzählige Cafes und Straßenkunst.

Und dann gibt es da noch den Goldenen Ring
Wollte man in Moskau „alles sehen“, würde man wohl mehrere Monate brauchen. Wer Ausflüge in die Umgebung unternehmen will, landet beim „Goldenen Ring“. Diesen Ring kann man nicht an einen Finger stecken, es ist ein Begriff, den der Journalist Juri Bytschkow geprägt hat. Er sollte über Wladimir und Susdal eine Geschichte schreiben  - am Rückweg nahm er die Strecke über Kostroma und Jaroslawl, so entstand eine Rundreise. Das Ergebnis dieser Tour veröffentlichte er 1967 als Artikelreihe mit dem Titel: “Goldener Ring. Durch die alten russischen Städte”. Mittlerweile ist der “Goldene Ring” eine geschützte Marke, die acht Städte der ursprünglichen Route schlossen sich zur „Union Goldener Ring“ mit Sitz in Jaroslawl zusammen. Aber das ist eine eigene Geschichte.


Was ich an Moskau mag …
Die Weitläufigkeit der Stadt, die auf dem ersten Blick verwirrend ist. Das erste Mal hat mich dieses weite Häusermeer erschlagen, es schien unmöglich sich in dieser riesigen Stadt zurecht zu finden. Mittlerweile ist mir das Wohnzimmer Russlands vertraut. Im Kern kann man sich die Stadt „ergehen“, für die größeren Distanzen nimmt man die Metro, die für sich eine Sehenswürdigkeit ist. Die besten Blini bekommt man neben dem GUM, in der Nikolskaya Straße, der Borschtsch schmeckt am Arbat, guten Kaffee gibt es fast überall. Der 120 Hektar große Gorky Park an der Moskwa ist großartig, um die Seele baumeln zu lassen, und die Tretjakow Galerie ist eines meiner Lieblingsmuseen. Das Metropol ist eines der schönsten Jugendstil-Hotels, das ich kenne und das Theaterviertel hinter dem Bolschoi ist perfekt für einen Kaffee. Im Abendlicht lohnt übrigens eine Schifffahrt auf der Moskwa, sie hilft sehr, die Orientierung zu finden. Vom Novospassky Kloster bis zum Sperlingshügel, einem der sieben Hügel Moskaus, auf dem die Lomonossow Universität im monumentalen Stalin-Stil steht, fahren die Ausflugsboote. Es ist eine bequeme Art, die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten vorbeigleiten zu lassen.

Den Neujungfrauenfriedhof sollte man nicht vergessen, er ist der „Russische Zentralfriedhof“. Die Geschichten der Menschen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, erzählen die (neuere) Geschichte Russlands und Moskaus im Speziellen.

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