„Ich war besonders begierig, Wady Musa zu besuchen, von dessen Alterthümern ich die Landleute in Ausdrücken grosser Bewunderung reden gehört hatte …“
So beschrieb der Schweizer Johann Ludwig Burckhardt 1812 in einem Brief seine Vorfreude auf Petra - verkleidet als Scheich Ibrahim ibn Abdallah war er für die Londoner Royal Society auf einer Expedition im Nahen Osten unterwegs. Er erkundete als einer der ersten Europäer Mekka und Medina, er folgte dem Nil aufwärts bis zum Abu Simbel - und am 22. August 1812 erreichte er durch die enge Siq-Schlucht das antike Petra, Hauptstadt von Arabia Petraea: „Es gibt ein Mausoleum in Form eines Tempels, von kolossalen Dimensionen, aus dem Felsen gehauen mit all seinen Räumen, dem Vestibül, seinem Peristyl usw. Es ist ein sehr schönes Beispiel griechischer Architektur und in perfektem Zustand …“
Petra, die Rote
Wenn wir ehrlich sind, denken auch wir heute bei einer Reise nach Jordanien zuerst an Petra, die antike Karawanenstadt, die man unbedingt einmal im Leben gesehen haben will. Die Hochblüte Petras lag um 300 v. Chr. - am Knotenpunkt mehrerer wichtiger Karawanenstraßen gelegen, bot das Volk der Nabatäer perfekte Karawanendienste zwischen dem Persischen Golf, dem Roten Meer und dem Mittelmeer an. Luxusgüter wurden so auf Kamele verfrachtet - ob Weihrauch oder Seide, Elfenbein oder Gewürze - fast 3000 km durch Gebirge und Wüste. Legendär waren der Fleiß und der Gemeinschaftssinn der Nabatäer - nur so konnte diese einzigartige, aus dem Felsen gehauene Stadt Petra mit gut 250 Grabdenkmälern, Theatern und Tempeln entstehen.
So wie Burckhardt die Siq-Schlucht durchschreiten musste, so tun wir es auch heute - alles muss zu Fuß erobert werden, aber alles ist so umwerfend und atemberaubend, dass die ganzen Anstrengungen nichts machen. Wir stehen voll Begeisterung vor dem „Schatzhaus des Pharaos“, das wie ein Traumbild, wie ein Wunder am Ende der schmalen Siq-Schlucht auftaucht. Wir passieren kleinere und größere Felsengräber, das Theater, steigen hinauf zu den fantastischen Königsgräbern und erreichen so das Herz von Petra. Welch ein Moment, wenn wir nach 1000 Stufen Aufstieg durch ein enges Tal vor dem Prunkgrab ed-Deir stehen - atemlos nicht wegen der Anstrengung, sondern wegen der Schönheit. Und auf allen unseren Wegen bewundern wir den wunderschönen ocker-rot-rosa geflammten Sandstein, über den man am liebsten streicheln würde. Raqmu - die Rote - hatten die Nabatäer ihre Hauptstadt genannt. Wenn wir am Abend durch die Siq-Schlucht wieder die Felsenstadt verlassen, haben wir gut 10 km zu Fuß zurückgelegt - und spüren nichts außer Begeisterung und Freude.
Reiches Weltkulturerbe
Aber Jordanien auf Petra zu reduzieren, wäre ungerecht - es gibt so viel mehr im haschemitischen Königreich zu entdecken. Ausgehend von der modernen Hauptstadt Amman - mit 4 Mio. Einwohnern die größte Stadt der Levante und eine der größten Städte des Mittleren Ostens - erkunden wir zunächst das Weltkulturerbe im Norden des Landes. Richtung Osten gelangen wir zu den sog. Wüstenschlössern, ein Ausdruck, der ein wenig irreführend ist: Es sind große Festungskomplexe, die bis zum 8. Jh. entstanden - teilweise in einem Mischstil aus antiken römischen und byzantinischen Traditionen. Wir bewundern Qasr al-Kharanah und Qasr Azraq, das dem britischen Offizier und Schriftsteller T.E. Lawrence - dem sagenumwobenen „Lawrence von Arabien“ - während des Aufstands gegen die Osmanen als Winterquartier diente. Das UNESCO-Welterbe Qasr Amra, ein Jagdschloss aus der Zeit der omajadischen Kalifen, bezaubert uns mit seinen großartig erhaltenen Fresken in byzantinischer Tradition aus dem 8. Jh., die u.a. den Hammam schmücken - Tänzerinnen, Jagdszenen, Akrobaten u.v.m. Menschliche Darstellungen waren in dieser frühen Phase des Islam durchaus noch geduldet.
Gerasa
Nördlich von Amman liegt eine der faszinierendsten Städte des Landes - Jerash, das antike Gerasa, das vom 2. Jh. v.Chr. bis zum 8. Jh. n.Chr. besiedelt war. Es war die wichtigste Siedlung im Städtebund der Dekapolis, Bischofssitz, und überwältigt heute mit einer großartigen Fülle antiker und frühchristlicher Ausgrabungen - wir stehen inmitten der besterhaltenen Provinzstadt des römischen Reichs. Verborgen unter schützendem Sand haben die antiken Monumente zwei Jahrtausende überdauert - erst in den letzten 70 Jahren war Gerasa freigelegt worden. Wir flanieren über die mehr als 800 m lange römische Kolonnadenstraße mit dutzenden Säulen sowie über das ovale (!) Forum, bewundern das Nymphäum und die gewaltigen Säulen des Artemis-Tempels und blicken beeindruckt auf die Bühnenwand im Nord- und im Südtheater. Vorbei an grasenden Schafen erreichen wir frühchristliche Kirchen und fühlen uns eindeutig in die Antike zurückversetzt.
Junges Weltkulturerbe
Erst 2024 zum UNESCO-Welterbe „geadelt“ liegt Umm el-Jimal auf unserer längeren Reisevariante „Jordanien intensiv“: Südlich von Irbid befinden wir uns im Hauran-Massiv, eine Region geprägt von schwarzen Basaltbergen und aus schwarzem Basaltgestein errichteten spätantiken Städten. In Umm el-Jimal sind über 150 einzigartige Bauten erhalten, die uns einen guten Eindruck einer Stadtentwicklung unter den Nabatäern, Römern, Byzantinern, Omajaden, Mamelucken, Osmanen geben - und welch ungewohnter Anblick, wenn alles aus schwarzem Basalt erbaut ist. Die „schwarze Oase“ war einst eine rege Handelsstadt, die bis heute den Archäologen zahlreiche Rätsel bereithält. Aber auch Gadara - Umm Qais - und Pella beeindrucken als wichtige Städte des antiken Zehnstädtebundes.
Madaba
Am Weg Richtung Süden stehen wir staunend in der St. Georgs-Kirche von Madaba vor der frühbyzantinischen Landkarte von Palästina - sie zeigt uns sehr detailreich die Festungsanlagen von Jerusalem, aber auch zahlreiche weitere Siedlungen beiderseits des Jordan. Frühchristliche Mosaiken bewundern wir aber auch in anderen Kirchen von Madaba sowie am nahen Berg Nebo: Laut Altem Testament liegt hier der Platz, von dem Moses das gelobte Land gesehen hat, ohne es je zu erreichen. Bereits 393 wurde eine erste Kirche erbaut, die in byzantinischer Zeit Ziel zahlreicher Pilger war - heute liegt hier eine Kirche der Franziskaner.
Festungen Kerak und Machaerus
Durch die tiefe Schlucht des Wadi Mujib, einem Seitengraben des Jordantals, erreichen wir Kerak, wo wir in die Zeit der Kreuzzüge eintauchen - hoch über der modernen Stadt liegt die mächtige Festungsanlage aus dem frühen 12. Jh., errichtet vom christlichen König von Jerusalem. Gut 40 Jahre überwachte sie die Karawanenrouten von Damaskus nach Mekka und Kairo, bis sie 1189 nach der dritten Belagerung durch die Heere Saladins kapitulieren musste. Heute erkunden wir eine Anlage, die seither von den Ayyubiden, Mamelucken und Osmanen umgebaut und erweitert wurde.
Ebenfalls interessant ist die Festung von Machaerus, erbaut um die Zeitenwende, später unter König Herodes verstärkt - es ist weniger die historische Bedeutung als die christliche Legende, die sich um Salome und Johannes den Täufer rankt: Nach einem Tanz hier in Machaerus fordert sie als „Dank“ den Kopf von Johannes dem Täufer.
Am Toten Meer
Von Kerak führt eine wichtige Straßenverbindung hinunter in die Depression des Toten Meers – mit 440 m die tiefste Depression der Erde, der tiefstgelegene und einer der salzhaltigsten Seen der Erde … Schöne Hotels sind vor allem am nordöstlichen Ufer des Toten Meers auf jordanischer Seite entstanden, ein wirklich besonderes Erlebnis ist ein Bad in dem extrem salzhaltigen Wasser, das einen trägt - und auch den dank zahlreicher Mineralien pflegenden Schlamm sollte man ebenfalls probieren. Nicht auslassen sollte man die nördlich des Toten Meers gelegene UNESCO-Welterbestätte al-Maghtas, die Taufstelle von Johannes dem Täufer.
Wadi Rum – zum Finale etwas Wüste
Im südlichen Jordanien erwartet uns abschließend eine der großartigsten Landschaften im Nahen Osten - sowohl UNESCO Weltnatur- als auch Kulturerbe: Östlich des Jordan-Grabens und südlich des zentralen Plateaus erstreckt sich die fantastische Gebirgswüstenlandschaft des Wadi Rum, die durch geologische Verwerfungen vor gut 30 Mio. Jahren entstanden ist. Erosion durch Wind und Wasser haben aus dem roten Sandstein und Granit ein grandioses „Kunstwerk“ mit den bizarrsten Formationen geschaffen, zwischen denen sich ockerrote Sanddünen erstrecken - aufgrund des porösen Sandsteins und damit zahlreicher Quellen finden wir hier die Spuren von Besiedlung bis in prähistorische Zeiten. Einzigartige Steinbögen und wilde Schluchten begeistern uns ebenso wie der nächtliche Wüstenhimmel oder Sonnenauf- und -untergang - mit Geländewägen und zu Fuß erkunden wir die surreal wirkende Landschaft.
Was mir am besten in Jordanien gefallen hat: Es ist die fantastische Kombination unterschiedlichster historischer Epochen und Naturlandschaften in einem Land, das Gastfreundschaft großschreibt und in dem wir und unsere Gäste uns immer sicher gefühlt haben. Ahlan wa sahlan - Willkommen in einem der bezauberndsten Reiseziele des Orients!