Die ältesten christlichen Staaten der Welt - Genozid an den Armeniern 1915 - Die letzten Tage des Musa Dagh - Stalins Geburtsland - jüngste Auseinandersetzungen Georgiens mit Russland - Wein aus Amphoren ...
Viele kleine Informationsbrocken tauchen auf, aber nichts, was der landschaftlichen und kulturellen Vielfalt dieser beiden großartigen Reiseländer zwischen Ararat (obwohl ein wichtiges Symbol Armeniens, nicht auf armenischer, sondern türkischer Seite der Grenze gelegen) und dem großen Kaukasus nur annähernd gerecht werden kann. Nach den Kämpfen zur Erlangung der Unabhängigkeit, nach einem verheerenden Erdbeben in Armenien sind die beiden Nachbarländer sehr unterschiedliche Wege gegangen. Und trotz der Ähnlichkeit im christlichen Glauben inmitten zahlreicher islamischer Staaten wirken sie doch auf unserer Reise so gegensätzlich und einzigartig.
Ein kurzer Flug mit Austrian bringt uns auf die Hochebene nordöstlich des Ararat - schroffe vulkanische Bergketten, die im Aragats-Massiv mehr als 4000 m hoch aufragen, weite Weideflächen und nur wenige fruchtbare Becken, und immer wieder Lavaströme, die über das Land geflossen sind und die Hauptbaumaterialien Tuff und Basalt in Massen zurückgelassen haben. Die Hauptstadt Jerevan liegt auf gut 1200 m Seehöhe in einem weiten Talbecken, bewacht vom Doppelgipfel des Ararat. Jerevan bietet viele einzelne schöne Plätze und Sehenswürdig-keiten - so z.B. die großartige Handschriftensammlung Matanaderan oder das nicht minder fantastische Nationalmuseum. Pompös erhebt sich die riesige Treppenlandschaft der Kaskade über der Innenstadt, flankiert von vielen gemütlichen Lokalen, an den Wochenenden zeigen viele Künstler und Kunsthandwerker in Parks und auf kleinen Plätzen bei der allwöchentlichen Vernissage ihr Kunstschaffen. Einzig - der große gemeinsame Gesamteindruck fehlt ein wenig.
Rings um Jerevan liegen viele interessante Ausflugspunkte, die man nicht missen sollte: die gewaltige Kirchenruine von Zwartnots, die im 6. Jh. ein unwahrscheinlich wunderbarer Zentralkuppelbau mit 45 m Höhe gewesen sein muss; der heiligste Ort des armenischen Christentums in Edschmiatsin mit prachtvollen Kirchenbauten, neu oder alt - und einer gelebten Frömmigkeit, die immer wieder erstaunt. Aber auch die Gedenkstätte an den Genozid hoch über der Stadt, wo gewaltige Basaltpfeiler an die 1,5 Mio. Toten von 1915 erinnern, aber auch an die endgültige Zerschlagung des armenischen Reichs, das einst vom Mittelmeer bis zum Kaspischen Meer reichte. Zurück blieb ein kleiner Staat mit mehr Menschen in der Diaspora als im eigenen Land. Wer Zeit hat, sollte auch den kleinen Abstecher nach Musaler nehmen, wo einige der Überlebenden aus dem Dorf Musa Dagh hingezogen sind - Franz Werfel hatte mit seinem Roman "Die 40 Tage des Musa Dagh" vom erbitterten Kampf der Dorfbewohner erzählt und dabei die Geschichte des Genozids aufgerollt.
Ein Ausflug in die Garni-Schlucht führt uns zu grandiosen Naturwundern - tief unter dem prächtigen, wieder aufgebauten römischen Tempel aus dem 3. Jh. ragen tausende und abertausende Basaltsäulen eindrucksvoll in den Himmel. Teils bilden sie Überhänge wie riesige Orgelpfeifen, teils mächtige Felswände - sie brauchen den Vergleich mit dem faszinierenden Giants Causeway in Nordirland definitiv nicht zu scheuen. Geländewagen bringen uns in die Schlucht hinunter - wer lieber zu Fuß unterwegs ist, kann sie wandernd durchqueren und zum Tempel von Garni hochsteigen. Am Talende der Garni- bzw. Azet-Schlucht erhebt sich eines der frühesten und bedeutendsten Klöster Armeniens, Geghard. Es gilt den Armeniern als ihr liebstes Pilgerziel und beherbergt die Lanze, die Jesus am Kreuz durchbohrt haben soll. Eindrucksvolle Hallen und Kammern, geschmückt mit feinsten Reliefs und Kreuzsteinen, erwarten uns hier. Auch fliegende Händler, die getrocknete Früchte oder den herrlichen armenischen Kuchen Gata feilbieten. Zur Stärkung besuchen wir Sergej Tun, einen schönen Bauernhof in Garni, wo man Bio-Marmelade und Kräuter erstehen, aber auch herrlich Produkte aus dem Tonir, dem armenischen Tandoori (Tonofen) genießen kann. Hier vor allem Forellen und Kartoffeln, die auf mehrstöckigen Bratgestellen in den Tonofen hinabgesenkt werden - einfach köstlich, der Duft und der Geschmack.
Am nächsten Tag beginnt unsere Reise Richtung Osten in Chor Virap, fast am Fuße des Ararat - alles beherrschend erhebt er sich jenseits der Grenze und bietet eines der bekanntesten und schönsten Fotomotive von Armenien. Wir überqueren verschiedene Bergketten und Pässe auf dem Weg nach Areni, berühmt für seinen Weinbau. Möglicherweise der älteste der Welt, denn in einer Höhle haben Archäologen nicht nur den ältesten Schuh der Welt gefunden, sondern auch mehr als 6000 Jahre alte Amphoren mit Weinresten. Von Areni zieht sich eine gewaltige rötliche Schlucht zum Kloster Noravankh, das mit seinen prachtvollen Reliefs jeden Besucher begeistert. Vor kurzem wurden hier Goldfunde gemacht - man kann nur hoffen, dass der armenische Staat dieses einzigartige Gebiet nicht für den Goldbergbau opfert.
Letzter einmaliger Programmpunkt eines abwechslungsreichen Tages ist die Stätte von Zorakhar - aus frühester Zeit stammen Steinreihen, Steinkreise, Stadtmauern und Ganggräber, die sich auf einer kahlen und Wind zerzausten Hochebene bei Sisian erheben. Ob es eine Stadt oder ein Heiligtum oder ein Observatorium war, versuchen Wissenschaftler derzeit herauszufinden. Definitiv eine mystische Stätte, eindrucksvoll und berührend in ihrer Einsamkeit.
Mit Goris haben wir den äußersten Südosten Armeniens erreicht - nahe ist die Grenze in den Iran, aber auch die Straße nach Berg-Karabach. Inmitten der schönen Bergwelt rings um Goris liegen einige großartige Besichtigungspunkte, welche die "weite" Anreise aus Jerevan in jedem Fall rechtfertigen, so z.B. das Geisterdorf Khndzoresk, das von schroffen Felswänden und bizarren Felstürmen (ähnlich Kappadokiens) umgeben ist. Wir steigen hinab in das Tal, überqueren eine Hängebrücke und können zur alten Kirche und zum Dorf in dieser bizarren Umgebung spazieren. Nicht weit entfernt von Goris liegt auch die gewaltige Vorotan-Schlucht, an deren Abgrund in exponierter Lage das Kloster Tatev liegt, im Mittelalter eine berühmte Universität. Die Schlucht kann man einerseits recht interessant mit Kleinbussen kennenlernen, die u.a. die Teufelsbrücke besuchen - der noch eindrucksvollere Weg zum Kloster wird mit der Seilbahn "Wings of Tatev" (Guinness Buch der Rekorde) angetreten: Die Fahrt mit der 5,75 km langen Luftseilbahn dauert ca. 11 Minuten - wir schweben gleichsam mehr als 300 m über der Schlucht vom gut 1500 m hoch gelegenen Halidzor zum etwa ebenso hoch gelegenen Kloster Tatev.
In der Nähe von Sisian und Goris erwartet uns noch ein weiterer, wirklich herausragender Ausflug: Geländefahrzeuge (russische UAS) bringen uns auf gut 3000 m Seehöhe in die Bergwelt von Ughtasar. Inmitten einer faszinierenden erloschenen Vulkanlandschaft erwarten uns Tausende etwa 4000 Jahre alte bronzezeitliche Felsritzungen mit Darstellungen von Steinböcken, Leoparden, Kriegern und Bären auf den Basaltblöcken, die wir nach ca. 1-stündiger Wanderung über ein Lavafeld erreichen. Die bronzezeitlichen Künstler nutzten vor allem die glänzenden Basaltplatten, um hier die Götter oder Geister zu beschwören - mit Darstellungen von Tieren und Menschen, die sehr eindeutig aufs Charakteristische beschränkt sind. Deutsche Archäologen vermessen seit Jahren dieses bis zu 40 Hektar große Areal und wollen die UNESCO animieren, die Stätte rings um den See von Ughtasar in das Weltkulturerbe aufzunehmen.
Ein Seitenstrang der alten Seidenstraße zog einst durch Armenien und Georgien - als Verbindung zur Küste des Schwarzen Meeres. Auf dem Weg zum Selim-Pass passieren wir die schöne Selim-Karawanserei (14. Jh.) und überlegen uns, wie über diese Bergketten über Jahrtausende hinweg Karawanen gezogen sein müssen. Nördlich des Passes liegt der malerische Sewan-See, die "blaue Perle" Armeniens. Ein besonderes Highlight ist der Friedhof in Noratus mit seinen beeindruckenden Kreuzsteinen - Chatschkare, die feinst bearbeitet und mit Ranken, Tieren, Kreuzen und vielen anderen Symbolen verziert als Gedächtnissteine dienten. Seit dem 9. Jh. werden sie aufgestellt - viele der großartigsten Beispiele stammen aus der Zeit der Hochblüte im 13./14. Jh.
Entlang der Klösterstraße im Norden Armeniens liegen zahlreiche fantastische Klosterbauten wie Haghbat oder Sanahin, die auf einem Hochplateau mit herrlicher Aussicht auf die Debed-Schlucht liegen, oder das Wehrkloster Akhtala mit seinen berühmten Fresken, aber noch viele weitere Bauten. Diese Klösterstraße führt uns auch zum Grenzübertritt nach Sadakhlo - von hier ist es nur mehr eine gute Stunde in die georgische Hauptstadt Tiflis/Tbilissi.
Tbilissi ist die herausragende Stadt bei unserer Länderkombination - wenig weiß man bei uns über die georgische Hauptstadt, umso überraschender ist die lebendige Atmosphäre und die schöne Altstadt. Bewacht von der alten Narikala Festung spaziert man zwischen orthodoxen Kirchen und der alten Synagoge durch ein kopfstein-gepflastertes Gassengewirr - viele der alten Häuser haben schöne bunte Holzbalkone. Der Hang unterhalb der Festung leuchtet richtig farbenprächtig! Durchzogen wird die Altstadt, die auch für ihre Schwefelquellen berühmt ist, von unzähligen gemütlichen Lokalen, in denen man die exzellente georgische Küche kennenlernen kann. Aber natürlich auch das erste Mal den georgischen Amphorenwein verkosten wird - ein durchaus spannendes Erlebnis! Dazu gesellen sich zahlreiche kleine Geschäfte, alte Werkstätten, aber auch ultramoderne Bauten aus der Zeit von Präsident Saakaschwili, die sich durchaus gut in das schöne Bild der Hauptstadt einfügen. Ein besonderes Highlight ist die Schatzkammer im Historischen Museum mit herausragenden Exponaten, aber auch im gleichen Museum die Ausstellung zur Schreckenszeit von Stalin in Georgien.
Nur wenig nördlich von Tbilissi liegt Mzcheta, die alte Hauptstadt und das religiöse Zentrum Georgiens (UNESCO-Welterbe), wo vor allem die Dschwari Kirche (6. Jh.) und die beeindruckende Swetizchoveli Kathedrale (11. Jh.) einen intensiven Besuch lohnen. Richtung Westen erstreckt sich die Kolchische Tiefebene, die im Süden vom Kleinen Kaukasus, im Norden vom Großen Kaukasus begrenzt wird. Ein Abstecher in die Bergwelt des Kleinen Kaukasus führt uns in die faszinierende Höhlenstadt Wardsia, die im 12. Jh. als Verteidigungsanlage gegen die Seldschuken erbaut wurde. Aus einem Hang des Eruscheti-Bergs wurden mehr als 3000 Höhlenwohnungen herausgeschlagen, die sich über 7 Stockwerke ziehen! Zur Stadt gehörten auch eine große, freskengeschmückte Kirche, Bäckereien, ein Kloster uvm. Über Treppen und durch Gänge lernt man das faszinierende Stadt-Labyrinth kennen. In der Kolchischen Tiefebene beeindruckt nahe Gori (der Geburtsstadt Stalins) eine weitere Höhlenstadt: Uplisziche stammt aus dem 1. Jahrtausend v.Chr. - die Stadtanlage mit Theater und Palästen ist noch gut nachzuvollziehen. Die Menschen lebten vermutlich überwiegend vom Handel und den Karawanen, die entlang der Seidenstraße hier Halt machten. Bis zu 20.000 Menschen sollen in der Stadt, die bis ins 18. Jh. existierte, gelebt haben.
Entlang der Georgischen Heerstraße erreichen wir ein landschaftlich sehr reizvolles Gebiet inmitten des Großen Kaukasus: Wir passieren die Festungskirche Ananuri und den berühmten Skiort Gudauri. Mit herrlichen Ausblicken auf die Bergwelt des Kaukasus folgen wir dem Tergi-Fluss nach Stephantsminda am Fuß des Kasbegi (5033 m). Auf den Hochweiden sind unzählige Rinder- und Schafherden zu sehen, und neben den einzigartig orange-gefärbten Sinterterrassen gedeiht der Kaukasus-Enzian. Eines der schönsten Hotels von Georgien ist hier zu finden - das Rooms-Hotel, von dem wir (bei etwas Wetterglück) den Sonnenaufgang über dem Kasbegi genießen. Auf einer Bergspitze direkt vor dem Kasbegi erhebt sich malerisch die auf 2170 m gelegene Gergeti Dreifaltigkeitskirche, die man zu Fuß wandernd oder mit Geländewagen und Kleinbussen erreichen kann. Sie zählt zu den bekanntesten Postkartenmotiven Georgiens.
Im Osten Georgiens - hinter dem Gombori-Pass - erstreckt sich die Region Kachetien, das größte Weinbaugebiet Georgiens. Wein, Wein und nochmals Wein - und natürlich zahlreiche Weinbaubetriebe, die in traditioneller georgischer Weise (in Amphoren) oder europäisch den Wein ausbauen. Hier liegen aber auch eindrucksvolle Klöster wie das mächtige Alaverdi oder das malerisch gelegenen Kloster Bodbe - die Basilika wurde der Legende nach über dem Grabmal der Hl. Nino (die im 4. Jh. das Christentum nach Georgien gebracht hat) erbaut und ist eine wichtige Wallfahrtsstätte in Georgien. Aber auch das idyllische Signagi oder die Wehrkirche in Gremi oder Tsinandali, wo das Fürstenhaus von einem wunderschönen Garten umgeben ist, beeindruckten uns sehr. Inmitten einer fantastischen Erosionslandschaft zwischen Wüsten und Halbwüsten - nahe der Grenze zu Aserbeidschan - liegt das Kloster Dawit Garedscha: Noch wird das Kloster mit seinen über den gesamten Bergzug verteilten Höhlenkapellen, die mit Fresken geschmückt sind, vergleichsweise selten besucht. Die kleine Einsiedelei ist außerhalb des Landes wenig bekannt, das könnte sich jedoch bald ändern, wenn das älteste Kloster des Landes zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wird - der georgische Staat bemüht sich bereits bei der UNESCO darum.
Beide Reiseländer bieten eine enorme Fülle einzigartiger Kultur- und Natur-Highlights, bieten Kultur-Affinen und Wanderern herrliche Erlebnisse - und auch die Liebhaber von Orange Wine, der bei uns langsam en vogue wird, zieht es an den Ursprung des Weinanbaus.
Reisen Sie mit uns - es ist umwerfend schön!
Elisabeth Kneissl-Neumayer